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Monday, December 30, 2013

Hätte, hätte, Rechtekette

Wie sich die Presse im Pornoabmahnskandal verzettelt

Anlässlich der Redtube-Abmahnwelle rauscht es nun im Blätterwald, die Abmahner hätten womöglich gar nicht die Rechte an den Filmen. "Hatten die Abmahner gar keine Sexfilm-Rechte?", fragt Bild. Gegenfrage: Spielt das wirklich eine Rolle? Hängt das Schicksal aller Porno- und Youtube-Gucker künftig davon ab, hellsehen zu können, wer welche Rechte an den Filmen hat? Nein, es ist ein Nebenkriegsschauplatz, der die Sicht auf das Wesentliche vernebelt, nämlich dass bereits das Abmahnen von Nutzern von Streamingportalen, die nicht offensichtlich illegal sind, sehr wahrscheinlich eine Straftat ist.

Neben Bild schlagen noch andere Medien in die gleiche Kerbe, wobei sich alles um die unbewiesene Behauptung dreht, der Hersteller der Filme sei gar nicht die Firma Serrato Consultores der ehemaligen Pornoactrice Jutta Schilling sondern der amerikanische Pornohersteller Cobat Zone. Aber wie man zu dieser Auffassung gekommen ist, mag niemand so recht erläutern. "Nach bisherigen Erkenntnissen handelt es sich um Produktionen des US-Studios Combat Zone" raunt es lapidar von heise. Zeit, PC-Welt, N24 und Focus behaupten ebenfalls, nicht die spanische Firma sondern Combat Zone sei der Urheber der Videos, und berufen sich dabei auf die Welt am Sonntag. Die Welt wiederum verlautbart dies:
"Doch Serrato Consultores S.L. ist ebenfalls nicht selbst Urheberin der Filme. Die Porno-Streifen wurden ursprünglich unter komplett anderen englischen Titeln von der amerikanischen Pornoproduktions-Firma Combat Zone USA gedreht, wie Einträge in der Branchendatenbank Adult Movie Database belegen – Serrato Consultatores hat sie augenscheinlich nur umetikettiert." 

Nun gibt es zwar Indizien, dass die abgemahnten Clips tatsächlich von Combat Zone veröffentlicht wurden, z.B. das Video "Amanda's Secret", für das auf  der von den Abmahnern genannten Redtube-Seite die Firma Combat Zone als Quelle genannt wird, und welches offenbar von der Combat Zone DVD "High Heels And Glasses 2" stammt. Aber das ist kein Beleg, dass Combat Zone den Clip auch selbst gedreht hat. Die Adult Film Database (die die Welt vermutlich eher meint als die "Movie" Database) weiß hierüber auch nicht mehr mitzuteilen als dass die DVD "High Heels And Glasses 2" von Combat Zone stammt. Warum aber sollte die spanische Firma nicht tatsächlich der Hersteller einer der Szenen auf dieser DVD sein?

Tatsächlich spricht einiges dafür, dass die Darstellung der Abmahner, was den Ursprung der Videos betrifft, durchaus korrekt ist. Denn:
  1. Das Gerücht, Combat Zone sei der eigentliche Produzent der Clips, beruht allein auf dem Umstand, dass Combat Zone auf der DVD die Copyright beansprucht. Nun ist es aber gängige Praxis bei solchen DVDs, dass der Hersteller einfach sein Copyright draufpappt. Vermutlich geschah das in diesem Fall nicht einmal widerrechtlich, weil die Zusammenstellung der DVD, Coverart usw. eine kreative Eigenleistung von Combat Zone darstellt. Und selbst in dem unwahrscheinlichen Fall, dass da ein Hahn nach kräht, würden sie höchstens $2500 Strafe zahlen. Deshalb macht es jeder. Mit Copyrights zu protzen ist schlimmstenfalls eine Bagatelle.
  2. Combat Zone hat nie behauptet, der Produzen der Clips zu sein. Der einzige Kommentar von Combat Zone zu dem Thema lautet bisher: "Wir haben nie exklusive Rechte an 'High Heels And Glasses 2' verkauft". Wie auch, wenn sie nicht der Urheber sind. Macht es diejenigen, die Combat Zone zum Produzenten der Videos erklärt haben, nicht stutzig, dass Combat Zone die Urheberschaft gar nicht für sich beansprucht und sich auch nicht darüber empört, dass die spanische Firma dies tut?
  3. Laut Adult Film Database sind alle Darsteller von "High Heels And Glasses 2" Europäer. Der Regisseur, Alex Romero, ist Spanier und hat zahlreiche spanische Pornos gedreht. Das spricht nicht gerade für eine amerikanische Produktion. Wohl aber für eine spanische.
  4. Combat Zone verkauft DVDs. Es nicht ersichtlich, dass sie Rechte an einzelnen Clips veräußern. Etwa an Jutta Schilling, wie von den Rechtekettentheoretikern behauptet wird.
  5. Im Gegensatz dazu scheint Jutta Schillings Geschäft sehr wohl darin zu bestehen, Rechte an Pornoszenen zu verkaufen. Und zwar (Achtung, Schmuddelseite) zu Tausenden:
    "
    We have a 'Special Offer' with European Scenes, all with 2257 documents (Copy ID's & Model-releases). 8000 SD Scenes, Non-exclusive, Mostly German spoken, some Non-dialogue, Czech, Spanish and also some USA content. Content is produced between 2000 and 2008, only around 500 scenes are a bit older then the year 2000".
Was genau spricht also dagegen, dass nicht etwa Combat Zone der Hersteller der Videos ist, sondern dass tatsächlich Jutta Schilling einzelne Szenen an Combat Zone verkauft hat, auf dass diese damit ihre DVDs füllen? Eben, praktisch nichts. Was die Rechtekette betrifft, haben sich die Medien ohne Not auf den Holzweg begeben.

Monday, December 16, 2013

Die Pornoabmahnwelle - Feige Presse, gleichgültige Politiker

Vor Jahren war ich mal in der Ukraine im Wagen von Bekannten unterwegs, als wir von einem Polizisten angehalten wurden, der in der Mitte der Straße stand und Autos herauswinkte. Allerdings nur die Modelle, die nach Geld aussahen. Und dann wurde abkassiert. Nicht, weil wir zu schnell gefahren waren, sondern einfach so, weil er es konnte. Meine Bekannten regten sich darüber nicht einmal auf, das war da so üblich.

Bei gewerbsmäßigen Abmahnern läuft es ähnlich. Sie suchen sich Leute zum Abkassieren aus, nicht weil diese etwas verbrochen hätten, sondern weil sie es können. Ähnlich wie der korrupte Polizist passen Abmahnanwälte auch gerne mal die Forderung an die Finanzlage der Opfer an und prüfen vorher, in was für einer Wohngegend der Abgemahnte lebt. Das Kalkül: Man verlangt gerade so viel, wie das Opfer verkraften kann, um ein größeres Trara zu vermeiden. Ähnlich ist auch, dass hier Leute mit einem rechtlichen Sonderstatus am Werk sind. Zwar gehören Anwälte nicht zur Staatsgewalt, aber sie genießen besondere Rechte, etwa das Recht, jemanden vor Gericht zu vertreten oder problemlos Rechtsauskünfte zu geben. Natürlich haben sie auch besondere Pflichten, etwa die Schweigepflicht. Diese "Pflicht" ist für Abmahnanwälte aber eher ein nützliches Sonderrecht, das ihnen gestattet, über betrügerische Aktivitäten ihrer Mandanten keine Auskunft geben zu müssen. Das ist praktisch, denn so ist eine etwaige Komplizenschaft nicht nachweisbar.

Man sollte meinen, dass angesichts der Korruptionsstrukturen, die durch die Pornoabmahnwelle offenbar werden, ein Aufschrei durch die Presse ginge. Aber einzig IT-Fachmagazine wie heise interessieren sich für die Details, die keinen anderen Schluss zulassen als den, dass die Abmahner ein gewaltiges krummes Ding gedreht und die Abgemahnten reingelegt haben. Doch selbst bei golem.de wird bei solchen Details ganz schnell der Hinweis hinzugefügt, dass die Vorwürfe gegen die Abmahner "nicht bewiesen" seien. Die Behauptungen der Abmahnanwälte, die Abgemahnten hätten eine Straftat begangen, werden dagegen ohne solche Hinweise verbreitet. Es besteht die Tendenz, dass die Medien sich artig als Sprachrohr der Abmahner benutzen lassen und Angst verbreiten, aber den Schwanz einkneifen, wenn es darum geht, illegale Machenschaften der Abmahner aufzudecken.

Und die Politik? Naja, was soll man da erwarten. Die interessiert sich seit Jahren für Bürgerrechte nur dann, wenn es darum geht, diese zu beschneiden. Man muss schon froh sein, dass Ursula vdL nicht wie angedroht Internetministerin geworden ist. Der wäre zu der Abmahnbetrugswelle gewiss sofort etwas eingefallen, nämlich dass Pornogucken sowieso bäh sei und man das schnellstens verbieten müsse.

Was nun die Anwälte betrifft, die die Abgemahnten verteidigen wollen, so mischen auch diese beim Geschäft mit der Angst tüchtig mit. Hierzu empfehle ich wärmstens den Artikel der Rechtsanwältin Anja M. Neubauer:
Das Geschäft mit der Angst – mit einer “großen Lüge” und unter Auspielung eines überforderten Gerichtssystems kann man leicht Millionen machen!

Update 17.12.2013: Mittlerweile wachen sie doch auf und berichten darüber, wie die Abgemahnten ohne ihr Zutun auf die Seiten umgeleitet wurden: FocusWeltComputerbild. Allerdings wird weiterhin kolportiert, es sei "nicht klar", wie die IP-Adressen gesammelt wurden. Klar ist das schon, es ist nur schwierig, zu beweisen, dass etwa die Fakedomains wie retdube.net, auf die umgeleitet wurde, von den IP-Sammlern selbst angelegt wurden. Da diese aber unmittelbar vor der Abmahnaktion eingerichtet wurden, muss man schon mit dem Klammerbeutel gepudert worden sein, um zu glauben, dass diese rein zufällig von einem unbekannten Dritten angelegt wurden und rein zufällig auf die Clips umleiteten, für die dann abgemahnt wurde. Trotzdem bleibt die "Welt" ängstlich und beschönigt die Megaverlade als "rechtlich zumindest fragwürdiges Vorgehen".